Tag 142 + 143: Bridge Creek Tentsite (2589.8) nach Harts Pass / Kanada 🇨🇦 (2623.0) – 33.2 + 12.O + 3.0 + 1.0 = 49.2 Meilen

Als ich gegen 06:30 Uhr aufstehe, merke ich, dass alles etwas nass ist. Mein Zelt wurde in letzter Zeit etwas in Mitleidenschaft gezogen, so dass die Bodenwanne nicht mehr ganz dicht ist und sich ein kleiner See am Fußende angesammelt hat. Aber immerhin habe ich trocken und halbwegs gut geschlafen.

Heute Morgen regnet es zum Glück nicht mehr, aber es ist kalt und nass. Nach guten zwei Meilen erreichen wir den Rainy Pass (ein treffender Name). Dies ist die letzte Möglichkeit vor der Grenze möglichst einfach in die Zivilisation zurückzukehren. Deshalb beenden auch viele hier ihre Reise. Aufgrund der massiven Sperrungen durch Feuer, haben einige aus Solidarität sogar einen Ersatz-Terminus für uns gebaut.

Unser Plan ist es aber noch etwas weiter zu gehen, dann einen Sidetrail zum Highway zu nehmen um so zum Ross Lake zu gelangen. Zusammen mit Shaggy und ein paar weiteren Hikern haben wir zwei Bootstouren reserviert, die uns dann in die Nähe der Grenze bringen sollen.

Am Vormittag klart es etwas auf und ab und an kommt sogar die Sonne durch. Die Landschaft ist hier nochmal richtig schön und wir genießen den letzten kompletten Tag auf dem Trail. In der Mittagspause versuche ich meine Sachen zu trocknen, was nur halbwegs gut gelingt. Nachmittags fängt es wieder leicht zu regnen an. Wir laufen jetzt durch ein Waldgebiet und die vielen Pfützen deuten darauf hin, dass es hier nochmal mehr geregnet haben muss.

Gegen 19:00 Uhr erreichen wir den East Creek Trail, der uns zum Highway bringen soll. Dieser ist allerdings in so schlechtem Zustand, dass teilweise gar kein Trail mehr zu erkennen ist. Wir probieren es trotzdem, aber nachdem wir nach einer halben Stunde noch nicht mal eine Viertelmeile geschafft haben, brechen wir ab und schlagen uns durch die Büsche zum PCT zurück. Mittlerweile ist es fast dunkel und wir haben nun die Wahl ob wir wieder 16 Meilen zurück zum Rainy Pass laufen oder 15 Meilen weiter zum Harts Pass und von da aus dann nochmal mindestens 10 weitere Meilen über eine Dirt Road nach Mazama. In beiden Fällen müssen wir heute im Dunkeln noch einige Meilen laufen, damit wir es bis morgen Mittag rechtzeitig zur unserer Bootsreservierung schaffen. Da der PCT kurz nach dem Harts Pass gesperrt ist und die Nacht aufgrund von Kälte und Nässe so oder so ungemütlich wird, entscheiden wir uns, alle noch möglichen Meilen auf dem PCT zu laufen, auch wenn wir auf diesem Weg die ganze Nacht durchlaufen müssen.

Wir machen uns mit unseren Stirnlampen auf den Weg und aufgrund der nassen Sträucher am Trail sind unsere Schuhe und Hosen innerhalb kurzer Zeit auch komplett nass. Wir kommen gut voran, können aber nur kurze Pausen machen, um nicht auszukühlen. Die Landschaft mit den vielen Bergen hier strahlt in der Nacht nochmal eine besondere Atmosphäre aus. Gegen 04:00 Uhr erreichen wir schließlich den Harts Pass, machen kurz Pause und laufen dann über die Dirt Road ins Tal Richtung Mazama. Mittlerweile fallen uns allen die Augen zu, aber als die Sonne aufgeht, geht es wieder etwas besser. Es stellt sich heraus, dass die Strecke über die Dirt Road nach Mazama doch länger ist als gedacht und wir somit doch etwas in Zeitnot geraten könnten. Aber zum Glück kommt nach 12 Meilen ein kleiner Bus mit Kletterern vorbei, die uns mit in den Ort nehmen.

Wir kommen um 09:30 Uhr in Mazama an einer leckeren Bäckerei an und sind jetzt zuversichtlich, dass wir es pünktlich bis 13:15 Uhr bis zum Ross Lake schaffen können. Vor der Bäckerei erfahren wir dann aber, dass es aufgrund des Regens zwei Erdrutsche gegeben hat und der Highway komplett gesperrt ist. Und hier in der Gegend gibt es nicht viele Straßen, so dass man einfach herumfahren könnte. Wieviel Hindernisse müssen wir eigentlich noch überwinden um bis zur Grenze zu gelangen?

Wir sprechen mit jemandem von der Border Control und er ist der Meinung, dass der Highway heute nicht mehr geöffnet wird und auch unser Plan mit dem Boot aufgrund der massiven Feuer in der Nähe wohl nicht funktionieren wird. Sollen wir jetzt aufgeben, nachdem wir die ganze Nacht durchgelaufen sind? Wir rufen beim Wassertaxi an, die uns versichern, dass sie fahren. Allerdings gehen auch sie davon aus, dass wir nicht rechtzeitig um den Erdrutsch herumkommen. Alle anderen, die mit uns in den 2 Booten fahren wollen sind mittlerweile dort, nur wir sind auf der anderen Seite des Passes gefangen.

Wir versuchen, zumindest in die Nähe des Erdrutsches zu gelangen um eventuell herumlaufen zu können. Aber innerhalb einer Stunde nimmt uns niemand mit, weil auch fast keiner mehr in die Richtung fährt. Nach einiger Zeit erfahren wir von einem Trail Angel, dass um 12:00 Uhr die Sperrung doch schon aufgehoben wird. Also versuchen wir es weiter uns schließlich hält ein nettes Paar an und wir quetschen uns zu viert auf die Rückbank. Wir fahren mit bis zum Rainy Pass und bekommen dann glücklicherweise auch schnell einen weiteren Hitch in einem Truck bis zum Ross Lake. Um Punkt 13:15 Uhr, die vereinbarte Zeit für das Boot, kommen wir am Ressort mit dem Bootsverleih an, nur um festzustellen, dass das Ressort nicht an der Straße liegt und wir nochmal 3 Meilen dorthin laufen müssen. Mittlerweile ist das Boot weg, aber da sie uns hintereinander fahren, können wir vielleicht noch die 2. Tour schaffen. Wir beeilen uns und kommen schließlich 15 -20 Minuten vor dem Ablegen der 2. Tour an. Wir treffen hier auf Tall Boy und Hippie Girl und als wir in das Boot steigen, sind wir geschafft, aber sehr glücklich. Wir haben es gerade noch rechtzeitig geschafft!

Nach den Strapazen der letzten Stunden, fühlt sich die Bootstour wie eine Belohnung an, als hätten wir es nun endlich verdient, an die Grenze zu gelangen. Wir wissen, dass wir es jetzt schaffen werden und so lehnen wir uns einfach zurück und genießen die Fahrt.

Wir werden kurz vor der Grenze abgesetzt und treffen dort auf die bisher schlimmste Moskitoplage. Aber das ist uns egal. Wir schnallen uns unsere Rucksäcke um und machen uns auf den Weg, die letzte Meile bis Grenze zurückzulegen. Jeder ist jetzt in seinen Gedanken versunken. Ich kann die eine oder andere Freudenträne nicht zurückhalten, denn nach 4,5 Monaten und über 4000 gelaufenen Kilometern sind wir nun endlich am Ziel angelangt.

An der Grenze gibt es in der Nähe einen Grenzstein und als wir diesen erreichen, sind wir bereit, diesen lang ersehnten Moment des Triumphes voll auszukosten. Wir umarmen uns und tanzen um unser kleines „Monument“ herum. Mittlerweile ist es egal, dass es nicht der offizielle Terminus ist, denn durch die Umstände und zusätzlichen Herausforderungen haben wir auch unsere eigene Geschichte geschrieben. Wir trinken unseren Sekt, den wir über die letzten Tage abwechselnd getragen haben, machen Fotos und genießen den Moment. Entgegen der Wahrscheinlichkeit, haben wir es tatsächlich bis nach Kanada geschafft!

In der Nähe der Grenze gibt es eine Ranger-Hütte, wo wir noch auf viele andere bekannte Hiker treffen. Wir fliehen von den Moskitos in die Hütte und feiern dort zusammen noch den restlichen Abend. Es wird wohl noch ein paar Tage dauern bis ich realisiert habe, dass mein Traum vom PCT wirklich wahr geworden ist.

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